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HISTORISCHES

Das Leben der meisten "Schleffer" war geprägt von Arbeit, Fleiß, Sorge, Krankheit und oft frühem Tod. Morgens um sieben begann die Arbeit der Bachschleifer. Die effektive Arbeitszeit war abhängig vom herrschenden Wasserstand und betrug zwischen 4 (bei Trockenheit) und 10 Stunden täglich. In schlechten Zeiten herrschte oft Nahrungsmangel.

Das Schleifergewerbe war gefährlich und gesundheitsschädlich. Während der Arbeit lagen die Schleifer mit Brust und Bauch auf einem Holzstuhl, wodurch die Lunge ständig unnatürlich zusammengedrückt wurde. Ihr Kopf befand sich unmittelbar vor dem Schleifstein, so dass sie während des Schleifens mikroskopisch feinen Steinstaub und Wasserteilchen einatmeten. Im Schleifraum herrschten relativ niedrige Temperaturen.

In Verbindung mit dem meist übermäßigen Schnaps- und Tabakgenuß kam es oft zur sogenannten "Schlifferkrankheit". Die Folge waren frühzeitiges Altern und früher Tod. Unter den Schleifern lag das durchschnittliche Lebensalter um 1900 etwa bei 36 Jahren, in anderen Berufen bei etwa 60 Jahren.

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Das Einkommen der Schleifer war in großem Maße von ihrer Geschicklichkeit abhängig, doch konnten die meisten keinerlei finanzielle Rückhalte schaffen. Nach Feierabend gingen sie müde oft viele Kilometer in ihre Dörfer zurück und bewirtschafteten dann noch den kargen, steinigen Hunsrückboden, um ihr mageres Einkommen aufzubessern und ihre Familien ernähren zu können.Einige besonders wagemutige gaben den Schleiferberuf auf und begannen einen Handel mit Schmuck und Edelsteinen. Sie besuchten große Messen in Leipzig und Frankfurt mit den von den Schleifern abgekauften geschliffenen Steinen. Schleifer und Handelsmann waren voneinander abhängig.

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Sie lebten in gutem Einvernehmen bis zur großen Flaute im Edelsteingeschäft 1883. Danach unterboten viele selbständige Schleifer aus Not und Verzweiflung die Stückpreise der Kollegen und es kam zu harten Auseinandersetzungen zwischen der "Idarer Schleiferinnung. Was sich in näherer Umgebung von Idar-Oberstein belegen lässt, sind urkundliche Erwähnungen von Schleifen aus dem Jahr 1544, wonach mehrere Schleifen im Trauntal bei Birkenfeld als bereits verfallen aufgeführt werden. Sie müssen also schon lange vorher errichtet worden sein.

Alle Schleifereien waren sogenannte "Bachschleifen", die das Wasser als Antrieb der großen Sandsteinräder nutzten.Die erste Achatschleife innerhalb der Herrschaft Oberstein wurde wahrscheinlich um 1520 von dem Balierer (Schleifer) Wirich von Daun, erbaut. Wohl 6 Schleifereien waren bis 1609 errichtet, als durch Graf Philipp Franz eine Zunftordnung erlassen wurde, die der "Unrichtigkeit, Unfleiß und Unachtsamkeit unter ihnen" ein Ende bereiten sollte.

1802 kamen indische Karneole als erstes ausländische Rohmaterial nach Idar-Oberstein. Die Einfuhr brasilianischer Achate 1834, danach auch Bergkristall und Amethyst, brachte einen großen Aufschwung und die Anzahl der Schleifereien nahm um 1830 rapide zu." auf der einen und dem "Idar-Obersteiner Handelsverein" auf der anderen Seite. Der Streit wurde geschlichtet, doch die Beziehung zwischen relativ armen Schliffer und wohlhabenen Handelsmann war getrübt.

Trotz alledem wird der Schliffer in zahlreichen überlieferten Geschichten und Aussprüchen als lustig, leichtlebig und selbstbewusst geschildert.

 

Das Edelsteinschleifen nahm seinen Anfang in Indien.
Die älteste Nachricht von einer Edelsteinschleiferei in Mitteleuropa liegt aus Paris vor. Dort gibt es bereits Ende des 13. Jh. eine Zunft der "Kristalliers und Pierriers".
In Deutschland bestehen im ausgehenden Mittelalter nachweislich zwei Zentren der Schmucksteinbearbeitung: im Raum Freiburg (Breisgau) und im Gebiet der mittleren Saar.
Die älteste hier in der Gegend urkundlich erwähnte Schleife stand in Zweibrücken und wurde 1469 von drei aus dem Breisgau zugewanderten Schleifern errichtet.
Die ältesten Berichte über die Achatgräberei hier in der Gegend stammen aus dem Jahr 1454.
Wie alt das Achatschleifen im Gebiet Idar-Oberstein und Umgebung genau ist, lässt sich nicht definitiv sagen.

Es gibt Behauptungen von Heimatforschern (August Brill, Max Hahn, Dr. Ernst Falz jun.), die das Handwerk bis in die Zeit der Römer zurückführen, also etwa 2000 Jahre. Dies ist bis heute nicht bewiesen.

Seinen Höhepunkt erreichte das Bachschleifergewerbe um 1870.

So lassen sich 1775: 25 Schleifereien, 1825: 32 Schleifereien und 1868: 123 Schleifereien nachweisen.

1871 begann mit wachsendem Handel der Import von Rohsteinen aus dem Ausland und Übersee, u.a. Tigerauge aus Afrika, Mondstein aus Ceylon, Aquamarin aus Brasilien, Edelopal aus Australien. So bildete sich der Stand der Farbsteinschleifer, der "Lapidäre", heraus.

Mit Einführung der Elektrizität um 1900, als neue, vom Wetter und vor allem von den ständig wechselnden Wasserverhältnissen unabhängige Antriebskraft wurden die "Bachschleifen" unrentabel und verschwanden fast vollständig.

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Heute gehört Idar-Oberstein und seine Umgebung noch immer zum Zentrum der Edelsteinindustrie, wobei die Anzahl der edelsteinverarbeitenden Betriebe stark gesunken ist.

 

Literatur: Edelsteine und Perlen; Prof. Dr. K. Schlossmacher 1969, Achatschleiferei und Wasserschleifen am Idarbach, Karl-Theo Reidenbach

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